Es gibt Konzerte, die
besucht man, um gesehen zu werden, und es gibt Konzerte, zu denen geht
man halt hin, weil man Freikarten bekommen hat. Und dann soll es aber
auch noch Konzertbesucher geben, die bewusst für eine kurze Zeit
in die Welt der Musik eintauchen, um sich und ihren Gefühlen etwas
Besonderes, vielleicht sogar auch Außergewöhnliches zu
gönnen.
Dass diese
Ausnahmeereignisse nicht immer nur in den großen Musentempeln der
Großstädte oder an Festivalorten stattfinden müssen,
wurde in der Fritz-Mannherz-Halle wieder einmal bewusst. Die Hinweise
auf die Veranstaltung waren wenig spektakulär, sprachen lediglich
von einem "Konzert 2008". Was aber die Musik- und Kulturfreunde in
großer Zahl in die Halle strömen ließ, war wohl das
neben dem Schriftzug abgebildete Konterfei von Willi Ehringer, der
inzwischen 80-jährigen Musikerlegende aus der Spargelgemeinde.
Aus Anlass seines 80.
Geburtstages wolle er seine Musiker, mehr noch aber sein Publikum mit
einem Querschnitt seiner 47-jährigen Dirigententätigkeit in
Reilingen erfreuen, führte Willi Ehringer in die fast
dreistündige Veranstaltung ein. Und was er unter "seiner" Musik
versteht, war bereits beim Lesen des Programms zu erahnen: Stücke
mit Jazz- und Swingelementen, eben den typischen, und seit vielen
Jahren beliebten Ehringer-Bigband-Sound.
Für musikalisch
wenig erfahrene Zuhörer überraschte dann doch, dass die
Kapelle des Musikvereins "Harmonie" mit einem Militärmarsch das
Konzert eröffnete - aber jenem mit der Nummer 1 des
österreichischen Komponisten Franz Schubert. Und dessen Musik hat
nun mal nichts mit preußischem Drill zu tun, sondern ist
geprägt von der charmanten Leichtigkeit einer Wiener Melange -
oder "Na Servus, küss die Hand, lass mer’s laufen!" Und in der Tat
lief es dann auch wie am Schnürchen: Höhepunkte aus Musicals
wie "Kiss me, Kate" oder "Der Zauberer von Oz", Erinnerungen an die
schönsten Abba-Melodien oder musikalische Kabinettstückchen
wie das "Belle of the Ball" des Amerikaners Leroy Anderson.
Einmal mehr hatte Willi
Ehringer jedem seiner Musiker die Arrangements und die Instrumentierung
passend zum individuellen Können auf den Leib geschrieben. So
fühlte sich niemand überfordert, was zu einem
außergewöhnlichen Klangbild verhalf.
Mit Eifer, mehr noch aber mit Freuden und
Spaß am Vergnügen waren die Musikerinnen und Musiker bei der
Sache und sorgten so für eine ganz besondere Atmosphäre in
der Halle.
Die große Leistung
und Vielfalt des Kapellmeisters wurde aber erst im zweiten Teil des
Konzerts so richtig deutlich, als ein wahres Musikfeuerwerk zur
Begeisterung der über 600 Zuhörer abgebrannt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt hatte
Willi Ehringer die Kapellen der Reilinger "Harmonie" und des
Musikvereins aus Unteröwisheim mit dem Fanfarenzug der Rennstadt
zu einem extraordinären Klangkörper vereinigt. Eigentlich
kein Gegensatz oder gar eine Schwierigkeit, denn Ehringer-Musikanten
verstehen sich "blindlings"!
Das hatte seinen Vorteil,
dass dem Dirigenten viel Zeit blieb, um sich selbst als Solist in das
Konzert mit einzubringen – und wie! Als Trompeter längst eine
Legende, bewies der 80-Jährige aber auch seine Qualitäten auf
Posaune, Kornett, Klarinette oder Saxophon, am Piano, am Schlagzeug
oder an der Gitarre. Und dass er auch noch singen kann,
überraschte dann im Saal wohl niemanden mehr.
Zu den besonderen
Momenten des Konzertereignisses, das zwei in Reilingen wohnende Musiker
der US Armyband Europe mit "Oh boy, we couldn’t do this job better"
("Das hätten wir auch nicht besser machen können!")
kommentierten, gehörten aber der gemeinsame Auftritt von Willi
Ehringer mit seinem Sohn Peter, mehr noch aber das spezielle
Arrangement von "Oh, mein Papa", dem wohl
außergewöhnlichsten
Ehringer-Klassiker. Auch wenn die beiden
Kapellen und die Musikerinnen und Musiker an diesem Abend die
rhythmisch schwierigsten Stücke und Jazz-Standards wie bei
"Birdland" von Joe Zawinul meisterten, der Klang der silbernen Trompete
bei diesem Charakterstück aus der Operette "Feuerwerk" von Paul
Burkhard wird bei allen Anwesenden noch für einen langen Nachklang
ganz tief in der Seele sorgen.
Und an ein ganz
besonderes Konzertereignis erinnern, wie es Reilingen bisher nur selten
erlebt haben dürfte. Eigentlich eine musikalische Sternstunde, die
sich am besten mit den beiden Zugaben umschreiben lässt: "In the
Mood" von Glenn Miller - und diese alles sagende und die Stimmung eines
stehend applaudierenden Publikums am besten beschreibende Bert
Kaempfert-Melodie: "Dankeschön"!
|