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Jubelklänge zwischen Barock und Swingtime

Wer mit "Also sprach Zarathustra", jenem kosmisch-gigantischen Werk von Richard Strauss, ein Konzertabend ausklingen lässt, um jede und jeden der 30 Musikerinnen und Musiker einzeln einem vor Begeisterung stehend applaudierenden Publikum vorzustellen, der muss zuvor schon Großartiges geleistet haben. Und in der Tat: Was während des über zweistündigen Konzerts in der nahezu ausverkauften Mehrzweckhalle der Reilinger Fritz-Mannherz-Hallen am frühen Sonntagabend geboten wurde, war Musik vom Feinsten. Das 80-jährige Jubiläum des Musikvereins "Harmonie" war Anlass genug, das erwartungsfrohe Publikum mit einem besonderen Programm zu überraschen - so wie es der Jubelverein bereits im Vorfeld der Veranstaltung versprochen hatte. Und es ist nicht übertrieben, von einem Musikereignis zu sprechen - wenn man bedenkt, dass, von wenigen Ausnahmen abgesehen, lauter Hobbymusiker, also reine Amateure auf der großen, herbstlich geschmückten Bühne saßen. Was das Konzert aber wirklich zu einem besonderen Höhepunkt in der seit acht Jahrzehnten andauernden, sicher auch wechselvollen Vereinsgeschichte machte, war die Tatsache, dass zugleich ein weiteres Jubiläum gefeiert wurde, das so in ganz Deutschland, sicher sogar noch weit darüber hinaus, einmalig sein dürfte:

Seit 45 Jahren steht das Blasorchester des Musikvereins "Harmonie" unter der Leitung eines einzigen Dirigenten - Kapellmeister Willi Ehringer. Wie harmonisch die Reilinger "Harmonie" mit ihrem Dirigenten seit dieser Zeit harmoniert, ist eine echte Erfolgsgeschichte, die gerade während des Jubiläumskonzertes immer wieder deutlich zu erkennen, vor allem aber hörbar war.

Denn nicht nur der "Zarathustra" erklang rein und stimmgewaltig, auch andere, sonst eher von sinfonischen Orchestern gespielte Paradestücke der Musikliteratur wurden zur Freude des Publikums dargeboten. Dass das berühmte Klavierkonzert Nr. 21 von Wolfgang Amadeus Mozart in dessen ureigener Leichtigkeit erklingen konnte, oder auch die vielen, seit Generationen ins Ohr gehenden Melodien aus "My Fair Lady" für musikalischen Genuss sorgten, war und ist den Arrangements und Instrumentierungen von Willi Ehringer zu verdanken. Er kennt jede Musikerin, jeden Musiker seines Orchesters ganz genau (manche sogar seit Beginn seines Dirigats im Reilinger Musikverein). Kein Wunder also, dass er jedem die Stimme auf den Leib schreibt, spricht, dem individuellen Können anpasst. Und dass dann selbst eine "Latin-Suite" die überschäumende Lebenslust und die Stimmung Südamerikas widerspiegelt, ist das große Verdienst des Kapellmeisters - aber auch seiner 30 Frauen und Männer an den Instrumenten.

Zumeist von Willi Ehringer oder anderen bekannten "Harmonisten" wie Richard Hartmann, Roland Söhner oder Peter Ehringer ausgebildet, zugleich auch ein Beweis für die außerordentlich gute und erfolgreiche Jugendarbeit des Jubelvereins. Ob nun Michaela Wirth und Christiane Seitz bei der für Flötistinnen äußerst schwierigen Konzertpolka "Die beiden kleinen Finken" brillierten, oder die Trompeter Alexander Hartmann und Benjamin Wolf bei den "Ballscenen" einem Perpetuum mobile gleich die sonst üblichen Streicher ersetzten - das Publikum war begeistert. Viel Beifall aber auch für den Posaunisten Willi Krüger, der mit der "Bayerischen Polka" ein echtes Bravourstück zum besten gab.

Und wie breit die musikalische Spannweite bei der Reilinger "Harmonie" ist, erlebten die Zuhörer innerhalb kürzester Zeit: War das "Concerto für zwei Trompeten" von Vivaldi noch geprägt vom klaren Spiel der Barocktrompeten (Peter Ehringer und Benjamin Wolf) und einem akkuraten Basso continuo der Tubisten Alfred Schwarz und Dr. Reinhard Petzold, so swingte der Holzbläsersatz ganz im Stil von Glenn Miller, Count Basie oder Duke Ellington. Da wippten im Publikum die Beine einfach nur noch mit und die Hände wurden heiß vom vielen Klatschen, denn jetzt griff Altmeister Willi Ehringer natürlich ebenfalls zu seiner Trompete.

Keine Frage also, welche Musik den Akteuren auf der Bühne wirklich Spaß macht. Kein Wunder also, dass mit dem legendären "In the mood" ein Konzertabend der jubilierenden Art ausklang, wie ihn die vielen Besucher aus Reilingen sowie aus der ganzen Region schon lange nicht mehr erlebt haben dürften. Und die wohl stimmungsvollsten Abschiedsworte des Abends sprachen die "Harmonisten" selbst mit Bert Kaempferts weltberühmten "Dankeschön". Ein Wort, das allen in der Mannherz-Halle aus dem Herzen sprach.


Bericht: Otmar A. Geiger aus "Schwetzinger Zeitung" vom 2.11.2006







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